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Aktienrechtsrevision per 1. Januar 2023 (wesentlichste Neuerungen)

06.12.2022

Alle wesentlichen Neuerungen und Änderungen für KMU-Betriebe für Sie zusammengefasst. Gerne stehen wir Ihnen beratend zur Seite und beantworten Ihre diesbezüglichen Fragen.

Überwachung der Liquidität resp. Zahlungsfähigkeit

Während das geltende Recht dem Verwaltungsrat erst bei einem Kapitalverlust eine explizite Handlungspflicht auferlegt, verpflichtet das neue Aktienrecht den Verwaltungsrat zur Überwachung der Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft und bei drohender Zahlungsunfähigkeit zur Handlung mit der gebotenen Eile. Die Massnahmen und Instrumente zur Überwachung der Zahlungsfähigkeit müssen dabei der individuellen wirtschaftlichen Situation (u.a. Liquiditäts- und Ertragssituation, Komplexität, Saisonalität) der Gesellschaft angepasst und angemessen sein, wobei eine zukunftsorientierte Planung der Geldflüsse in geeigneter, eventuell aggregierter Form anzuwenden ist.

Die im neuen Recht hinzugefügte Formulierung «mit der gebotenen Eile» verschärft die Haftung des Verwaltungsrats. Künftig besteht kein Raum mehr für Verzögerungen, allerdings muss ihm die benötigte Zeit für die Erarbeitung von Sanierungsmassnahmen und gegebenenfalls deren Vorlage zuhanden der Generalversammlung eingeräumt werden. Verletzt der Verwaltungsrat diese gesetzliche Pflicht, kann er mit seinem persönlichen Vermögen für mögliche Schäden haftbar gemacht werden.

Hälftiger Kapitalverlust und Überschuldung

Ein hälftiger Kapitalverlust entsteht, wenn das bilanzielle Eigenkapital (Total Aktiven abzüglich Total Fremdkapital) kleiner als die Hälfte des sog. geschützten Eigenkapitals ist. Das geschützte Eigenkapital berechnet sich aus der Summe von:

  • Nominelles Aktienkapital
  • Gesetzliche Gewinn- und Kapitalreserven
    (max. 50% des nominellen Aktienkapitals; bei Holdinggesellschaften sind es 20%)
  • Gesetzliche Reserven für eigene Aktien
  • Gesetzliche Reserven aus Aufwertungen

Bei einem hälftigen Kapitalverlust ist neu nicht mehr zwingend die Einberufung der Generalversammlung nötig. Der Verwaltungsrat muss die nötigen (Sanierungs-)Massnahmen ergreifen und beantragt der Generalversammlung allfällige Massnahmen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen (z.B. Kapitalerhöhungen, Zuschüsse).

Wichtig hierbei ist, dass Verbindlichkeiten mit Rangrücktritten nicht als Sanierungsmassnahme gelten und somit keine Heilung eines Kapitalverlustes bewirken können!

Sollte die Jahresrechnung einer Gesellschaft ohne Revisionspflicht (Opting-out) einen hälftigen Kapitalverlust ausweisen, wären alle Beschlüsse der GV betreffend diese Jahresrechnung dann nichtig, wenn kein Revisionsbericht zur Jahresrechnung vorliegt. Folglich müssten gemäss neuem Aktienrecht bei Vorliegen eines hälftigen Kapitalverlustes auch Gesellschaften ohne Revisionsstelle eine separate (einmalige) Prüfung der betreffenden Jahresrechnung durch einen zugelassenen Revisor veranlassen. Auf die Bestellung einer Revisionsstelle kann verzichtet werden, wenn vor Einberufung der GV echte Kapitalsanierungsmassnahmen (insbesondere Forderungsverzichte anstelle von Rangrücktrittsvereinbarungen) für die Behebung des Kapitalverlustes umgesetzt worden sind. Diese Bestimmungen gelten für alle ab dem 1. Januar 2023 abgehaltenen Generalversammlungen.

Bei einer Überschuldung kann die Benachrichtigung neu nicht nur bei Rangrücktritten im Ausmass der Überschuldung unterbleiben, sondern auch, wenn begründete Aussicht besteht, die Überschuldung innert höchstens 90 Tagen zu beheben.

Stärkung der Aktionärs- und Minderheitsrechte

Im neuen Aktienrecht können Aktionäre, die mindestens über 10% des Aktienkapitals oder der Stimmrechte verfügen, dem Verwaltungsrat jederzeit und nicht nur an der Generalversammlung Fragen stellen. Der Verwaltungsrat muss diese Fragen innerhalb von vier Monaten beantworten.

Aktionäre, die mindestens über 5% des Aktienkapitals oder der Stimmrechte verfügen, haben auch ohne Ermächtigung durch die Generalversammlung ein Einsichtsrecht in die Geschäftsbücher und Korrespondenzen, sofern es für die Ausübung ihrer Aktionärsrechte erforderlich ist und es sich bei den Unterlagen und Informationen nicht um schützenswerte Interessen der Gesellschaft handelt. Der Schwellenwert für die Traktandierung von Verhandlungsgegenständen an der Generalversammlung sowie für die Einberufung einer ausserordentlichen Generalversammlung wurde auf 5% des Aktienkapitals oder der Stimmrechte herabgesetzt.

Verringerung Mindestnennwert von Aktien und Stammanteilen

Nach altem Recht muss der Nennwert einer Aktie mindestens 1 Rappen, derjenige eines Stammanteils mindestens CHF 100.00 betragen. Neu ab dem 1. Januar 2023 muss der Nennwert einer Aktie bzw. eines Stammanteils schlicht mehr als null Schweizerfranken betragen. Für eine Anpassung des Nennwerts der Aktien oder der Stammanteile bedarf es einer Statutenänderung. Der Minimalbetrag des Aktienkapitals beträgt weiterhin CHF 100'000.00, wovon bei der Gründung unverändert mindestens CHF 50'000.00 (resp. 50%) liberiert sein müssen.

Kapitalband

Aktiengesellschaften können neu ein sogenanntes Kapitalband mit einer Bandbreite von plus 50% bzw. minus 50% des eingetragenen Aktienkapitals einführen. Die Beschlussfassung der GV ermächtigt den Verwaltungsrat im Rahmen des Kapitalbands das Aktienkapital innerhalb von maximal fünf Jahren flexibel herabzusetzen oder zu erhöhen. Vorbehalten bleibt bei Kapitalrückzahlungen die Gewährleistung der allgemeinen Gläubigerschutzbestimmungen.

Vereinfachte Sachübernahmevorschriften bei Gründung oder Kapitalerhöhung

Im Falle einer (beabsichtigten) Sachübernahme, also die Übernahme von Vermögenswerten im Zusammenhang mit einer Gründung oder Kapitalerhöhung von Personen, die der Gesellschaft nahestehen, muss nach neuem Recht kein Gründungs-, respektive Kapitalerhöhungsbericht und keine Prüfungsbestätigung mehr erstellt werden. Der Ausweis in den Statuten und im Handelsregister entfällt ebenfalls.

Die Bestimmungen zur Sacheinlage dürfen nicht umgangen werden; es darf kein offensichtliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehen.

Zwischendividenden

Die neuen gesetzlichen Grundlagen sehen vor, dass die GV die Ausrichtung einer Zwischendividende beschliessen kann. Ein für die Zwischendividende zugrunde liegender Zwischenabschluss (bestehend aus Bilanz, Erfolgsrechnung und Anhang) muss im Grundsatz durch eine Revisionsstelle geprüft werden. Auf die Prüfung kann jedoch verzichtet werden, wenn die Gesellschaft generell nicht revisionsstellenpflichtig ist (Opting-out) oder wenn alle Aktionäre der Ausschüttung zustimmen. Forderungen von Gläubiger dürfen dabei in keinem Fall gefährdet werden; es gelten unverändert die allgemeinen Voraussetzungen für eine Dividendenausschüttung.

Gewinnverwendung

Die Bestimmungen zur Zuweisung an die gesetzlichen Gewinnreserven aus sog. Superdividenden wurde ersatzlos gestrichen. Es sind 5% des Jahresgewinnes solange den gesetzlichen Gewinnreserven zuzuweisen, bis die gesetzlichen Gewinn- und die Kapitalreserven in der Summe das hälftige Aktienkapital erreicht haben (bei Holdinggesellschaften bis 20% des Aktienkapitals).

Verlustverwendung

Die Reihenfolge der Verlustverrechnung wurde überdies klar festgelegt:

  1. Verrechnung mit dem Gewinnvortrag
  2. Verrechnung mit freiwilligen Gewinnreserven
  3. Verrechnung mit gesetzlichen Gewinnreserven *
  4. Verrechnung mit Kapitalreserven *

* Anstelle einer Verrechnung mit den gesetzlichen Gewinn- und den Kapitalreserven ist auch ein Verlustvortrag auf die neue Jahresrechnung möglich.

Gesellschaftskapital neu auch in Fremdwährungen

Das neue Aktienrecht harmonisiert die Vorschriften über die Währung des Gesellschaftskapitals mit denjenigen über die Rechnungslegung. Mit der Aktienrechtsrevision kann eine Gesellschaft nicht nur die Jahresrechnung in einer für sie wesentlichen Währung legen, sondern neu kann auch das Gesellschaftskapital auf eine für ihre Geschäftstätigkeit wesentliche Währung lauten. Erforderlich ist, dass die Buchführung und Rechnungslegung nach der Fremdwährung des Gesellschaftskapitals geführt wird. Als zulässige Fremdwährungen wurden festgelegt: Euro, US-Dollar, das britische Pfund und der japanische Yen.

Wer einen Währungswechsel vornehmen möchte, kann dies jeweils zu Beginn eines Geschäftsjahres tun. Hierfür ist ein Beschluss der General- bzw. Gesellschafterversammlung mit qualifiziertem Mehr und eine Statutenänderung notwendig.

Flexiblere General- bzw. Gesellschafterversammlung & Verwaltungsrats- bzw. Geschäftsführungssitzungen

Mit dem neuen Recht werden auch die Bestimmungen zur Beschlussfassung modernisiert. Neu ist die virtuelle und hybride Beschlussfassung der General- bzw. Gesellschafterversammlung sowie deren Durchführung an mehreren Tagungsorten oder im Ausland möglich. Um eine virtuelle GV oder eine GV im Ausland durchführen zu können, muss dies in den Statuten entsprechend vorgesehen sein. Im Rahmen einer Universalversammlung können Beschlüsse neu auch elektronisch gefasst werden. Auch eine GV auf dem Zirkularweg ist unter neuem Recht zulässig, sofern kein Aktionär bzw. Gesellschafter eine mündliche Beratung verlangt.

Der Verwaltungsrat bzw. die Geschäftsführung kann neu elektronische Kommunikationsmittel verwenden. Beschlüsse können damit auch elektronisch und ohne Tagungsort gefasst werden. Eine Unterschrift ist für die elektronische Beschlussfassung nicht erforderlich.

Handlungsbedarf

Bei Gesellschaften ohne Revisionsstelle (Opting-out) ist bereits für Jahresrechnungen per 31. Dezember 2022 zu prüfen, ob Handlungsbedarf im Zusammenhang mit dem Tatbestand des hälftigen Kapitalverlustes besteht.

Ab dem 1. Januar 2023 wird vom Gesetz verlangt, dass der Verwaltungsrat die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft überwacht. Geeignete Massnahmen und Instrumente zur Überwachung der Zahlungsfähigkeit sollten dabei der individuellen wirtschaftlichen Situation (u.a. Liquiditäts- und Ertragssituation, Komplexität, Saisonalität) der Gesellschaft angepasst und angemessen sein.

Bestehende Rangrücktrittsvereinbarungen von Gläubigern, in welchen eine ausdrückliche Zinsenstundung fehlt, könnten allenfalls unter dem neuen Recht als ungültig betrachtet werden. Die Vereinbarungen sind im Hinblick auf eine Nachbesserung entsprechend zu überprüfen.

Unternehmen haben bis zum 31. Dezember 2024 Zeit, um ihre Statuten und Organisationsreglemente an die Bestimmungen des neuen Aktienrechts anzugleichen und allfällige nicht mehr zulässige Bestimmungen anzupassen. Unterlässt man dies, treten alle Bestimmungen, die nicht mit dem neuen Recht vereinbar sind, per 1. Januar 2025 ausser Kraft.

Gewisse Neuerungen des Aktienrechts, wie z.B. die Schaffung eines Kapitalbandes, die Durchführung einer virtuellen GV oder einer GV im Ausland, oder auch ein Währungswechsel des Gesellschaftskapitals, müssen zwingend in den Statuten verankert sein, damit sie genutzt werden können.

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